Am 19. März machen wir uns auf den Weg nach Norden um uns ein Boot in Friesland anzusehen. Das Navi zeigt uns den unkomplizierten Weg. Die ausgewiesenen 300km sind ein echtes Gegenargument, das auch durch die super ausgebauten Straßen nicht wirklich entkräftet wird. 600km mal 7 Liter Super ergeben eine Summe, die eine Spontanentscheidung erschweren. Ich habe mich per Mail mit Frans verabredet, dem das Boot zwar nicht gehört, aber über ihn und Thomas kam der Kontakt zustande. Von Thomas stammen auch die spärlichen Infos und erste Fotos. Weil er sich für das alte Polizeiboot selbst interessiert hat. War ihm dann doch zu klein, eine Albin am südlichen Ijsselmeer ist es dann geworden. Und das Polizeiboot ist noch zu haben.
Wie kommt man mit Krücken auf ein Boot?
Ich laufe noch mit meinen Gehhilfen, Auto fahren geht auch nur, weil mein Automatik-Golf umzubauen ist auf Links-Gas. So kann ich die kaputte rechte Hälfte schonen. Wobei alleine 3 Stunden sitzen im Auto auch kein Spaß ist.
Frans ist auch sichtlich nicht besonders begeistert von meiner Idee, das alte Polizeiboot zu erwerben. Er rät dem langhaarigen deutschen Krüppel ab. Viel zu viel Arbeit, man müsse in den Innenausbau investieren, und ob wir nicht vielleicht erst mal so ein Boot leihen wollten und schauen, ob das was ist für uns. Er lädt uns erst mal auf sein eigenes Super-Plattboden. EIn wirklich schönes, liebevoll hergerichtetes Schiff. Da kann man leben.
Aber klar, wir können das Boot ja mal ansehen, der Hafenmeister kommt auch dazu.
Also ich bin nicht ins Wasser gefallen, mittlerweile hatte ich ja 6 Wochen Training hinter mir; obwohl – war schon hart. An Bord gingen die Krücken dann gar nicht. Aber da es wirklich eng war, war es auch kein echtes Problem. Das Boot – sanitärtechnisch eine Katastrophe. Eine alte Seetoilette ohne Tank mit Handpumpe. Die Küche mit einem alten, gefährlich aussehenden Gaskocher, Schränke oder Stauraum Fehlanzeige. Kein Kühlschrank, kein Wassertank, keine Druckwasserpumpe, keine Dusche, keine gangbare Waschgelegenheit. Die Stehhöhe in der Kajüte reicht geradeso für Karen, in der Küche aber auch nicht. Stromversorgung an Bord – Fehlanzeige. Beleuchtung – funktioniert wohl über Kerzen.
Aber. Das Boot ist schnuckelig und mit seinem eckigen Aufbau hat es einen echt knurrigen Charakter. Innen mit weiß lackiertem Holz ausgekleidet, die Sitzbänke gut gepolstert, da kann man richtig gut drauf schlafen, dazwischen ein versenkbarer Tisch. Alt und verwohnt ist das mal nicht. Die mit Paneelen verkleideten Rückbänke könnte man öffnen und damit Stauraum schaffen – für Gepäck gibt es in den Sitzbänken rechts und links genug Platz. Das ist stabil gebaut und kann so bleiben, wie es ist. Zwischen den Sitzbänken wird mit einer Holzplatte eine großzügige Schlaffläche gebaut, wie in einem Wohnwagen. Eine Badeplattform mit Durchgriff zur Schraube und – kleiner Gag – einer Anhängerkupplung für einen Fahrrad-Träger.
Und. Das Boot ist technisch perfekt. Schlüssel drehen, losfahren. Alles andere hat Zeit, muss man alles nicht morgen erledigt haben. Rumfahren und basteln kann man super kombinieren. Das Ding hat sogar einen modernen Bugstrahl – mit eigener Batterie! Und eine moderne, wassergelagerte Antriebswelle! Wir machen eine Probefahrt. Mit Frans und dem Hafenmeister. Einmal bis zum Dokkumer Ee und zurück. 6km schnurgrade – geht. Mal anlegen an einem Landsteg – Katastrophe. Zurück im Hallumer Hafen rückwärts einparken – geht überhaupt gar nicht. Der Hafenmeister muss retten. Aber die haben ja alle mal irgendwann geübt, oder?
Ich bin – zugegeben als einziger – begeistert. Wir erbitten uns 14 Tage Bedenkzeit – ja, kein Problem. Wahrscheinlich erzählt man sich Geschichten in Hallum von dem deutschen spinnerten Krüppel. Ich muss sagen, das Geld hatte ich schon mitgebracht, rein präventiv. Karens – ich sag mal – Zurückhaltung und die Skepsis von Franz und Wiebke, dem Hafenmeister, haben einen vorbereiteten Spontankauf erst mal verhindert. Mal drüber schlafen ist ja nicht verkehrt. Mein Herz aber hatte schon entschieden.
Klaus der Werkstattmeister
14 Tage später fahre ich mit Klaus, dem Werkstattmeister aus Dortmund nach Friesland, das Boot erneut in Augenschein zu nehmen. Seit Urzeiten ist er Skipper an der Maas auf einem wunderschönen alten Kahn, seinem Bagger mit dem Namen Old Friend. Sein Urteil zählt. Er hat das selbst angeboten und Karen ist mittlerweile weichgekocht. Ich will das Boot nicht für mich. Dafür ist es zu weit weg, es wird unsere Freizeit dominieren, das ist schon klar.
Klaus ist begeistert. Für den Preis, mit der Technik – ein Schnäppchen. Klar, bei dieser Breite schaukelt es schnell, hört wegen des flachen Bodens aber auch schnell wieder auf. Trockenfallen im Wattenmeer sollte gehen. Das alte Polizeiboot kann natürlich nicht mithalten mit seinem Bagger. Aber die Terasse im Heck ist super, die hat definitiv Seltenheitswert. Der Hafenmeister hat in der Zwischenzeit die Küche umgekrempelt. Es gibt einen großen Frischwasser-Tank, einen Abwasser-Tank und eine neue Toilette. Fehlt noch die Druckwasser-Pumpe und die Armatur in der Küche am neuen Spülbecken – da ist er grade bei. Sieht alles sehr ordentlich aus, im Brotberuf war er früher Möbelschreiner. Sieht man. Er war nicht davon ausgegangen, dass ich das Boot kaufe, so hat er schon mal in die Technik investiert – vielleicht für seine Tochter, vielleicht, um allgemein die Verkaufschancen zu erhöhen.
Klaus meint, wenn ich irgendwann die Nase voll hätte von dem Boot, der Schrottpreis wäre wohl etwa der aktuelle Kaufpreis, wo ist das Risiko? Das Boot ist dicht und trocken, es riecht definitiv nicht muffig – auch wenn die Innenluft aktuell von frischem Lack bestimmt wird und die Antriebstechnik stimmt. Gut, Schnickschnack fehlt, Beleuchtung gibt es auch nicht, aber es ist alles da, was ein gutes Boot zum fahren braucht. Der Motor wird nochmal inspiziert und für gut befunden – 26 PS aus einem 3-Zylinder Sole Diesel sind nun definitiv nicht übermotorisiert, reichen aber allemal zum entspannten, ruhigen fahren.